Wie wir reden können

Es ist toll, dass du dich entschlossen hast, mit jemandem über psychische Probleme, Schwierigkeiten oder Auffälligkeiten zu sprechen – weil du dir entweder Sorgen um jemanden machst oder selbst Hilfe brauchst. Nur, wenn du darüber sprichst, kann der Prozess beginnen, durch den die Probleme angegangen werden, eine psychische Krankheit behandelt wird oder Vorurteile aus den Weg geräumt werden. Du brauchst keine Angst zu haben, mit einer Freundin, einem Freund oder einem Familienmitglied über das zu sprechen, was dich belastet. Und du musst keine Expertin oder Experte sein, um zu helfen. Eine perfekte Lösung kannst und musst du auch nicht parat haben. Das Gespräch beginnen, zuhören und füreinander da sein, ist alles was zählt.

Der richtige Moment

Die Psyche ist ein Thema, das wir sensibel behandeln müssen. Das liegt nicht daran, dass wir uns schämen sollten oder man in der Öffentlichkeit nicht darüber sprechen kann, sondern daran, dass wir vorher nicht wissen können, wie sich unsere Gesprächspartnerin oder unser Gesprächspartner damit fühlt oder damit umgeht. Deswegen ist es wichtig, das Gespräch in einer Umgebung zu führen, in der sich beide wohl fühlen. Außerdem sollten beide genug Zeit für dieses Gespräch haben. So könnt ihr ausführlich über alles sprechen, was euch am Herzen liegt, euch Zeit zum Nachfragen und Nachdenken geben, und ihr habt danach die Möglichkeit, euch etwas Ruhe zu gönnen.

Es ist hilfreich, sich für das Gespräch zu verabreden. So könnt ihr euch sicher sein, dass genug Zeit da ist und ihr beide bereit seid, euch voll und ganz dem Gespräch zu widmen. Damit sich die andere Person nicht überrumpelt fühlt, kannst du schon bei der Verabredung deutlich machen, dass du mit ihr über etwas Wichtiges sprechen möchtest. Das fällt dir vielleicht in dem Moment schwer, aber du kannst dadurch vermeiden, dass die Verabredung an einem Ort stattfindet, an dem du dich nicht wohl fühlst, oder zu wenig Zeit zum Reden eingeplant wird. Eine Verabredung im Kino ist zum Beispiel weniger für ein vertrauensvolles Gespräch geeignet als ein Spaziergang im Park.

Wenn du dir Sorgen um deine psychische Gesundheit machst und das Gefühl hast, mit niemandem darüber sprechen zu können, kannst du dich immer an Beratungsstellen wenden. Viele von uns möchten aber zuerst mit einer Person sprechen, die wir kennen und der wir vertrauen. Freundinnen, Freunde und Familienangehörige werden dir zuhören und dir helfen. Du brauchst keine Angst zu haben, ihnen weh zu tun oder sie zu enttäuschen, wenn du mit ihnen über deine Probleme sprichst.

Wenn du dir Sorgen um eine nahestehende Person machst und versuchst, mit ihr zu reden, kann es auch passieren, dass sie das nicht möchte oder eine Verabredung immer wieder absagt. Das darf dich nicht kränken, denn es hat bestimmt nichts mit dir zu tun. Viele haben Angst vor dem Gespräch oder wissen einfach nicht, wie sie das Gespräch starten sollen. Da hilft es, geduldig zu sein und der Person das Gefühl zu geben, dass sie dir vertrauen kann und du helfen möchtest. Solltest du dir um eine Person Sorgen machen, an die du nicht mehr herankommst, kannst du auch eine Beratungsstelle kontaktieren und mit ihr herausfinden, wie ihr gemeinsam helfen könnt.

Denkt an euch beide

Ihr könnt euch sicher sein: Ein psychisches Problem wird nicht schlimmer dadurch, dass man darüber spricht. Aber jede Vertrauensperson sollte auch immer auf sich selbst achten, wenn sie anderen Hilfe anbietet. Wenn eine Freundin, ein Freund oder ein Familienmitglied psychische Probleme hat, kann dich das auch belasten. Wichtig ist, dass du nur so viel Hilfe anbietest, wie du auch selbst verkraften kannst. Es ist okay, wenn du in einem Gespräch das Gefühl bekommst, dass dir das gerade zu viel ist. Es ist toll, dass du überhaupt deine Hilfe anbietest und zuhörst. Du bist vielleicht die erste Person, mit der vertrauensvoll über die psychischen Probleme gesprochen wird und bist alleine deswegen schon eine sehr große Unterstützung. Und nach diesen ersten Gesprächen kannst du eine große Hilfe dabei sein, die nächsten Schritte zu gehen. Dabei bist du nicht allein, sondern ihr könnt gemeinsam nach professioneller Unterstützung suchen.  

Die richtigen Worte

„Ich finde nicht die richtigen Worte“ – das ist ein häufiger Grund, warum nicht über psychische Probleme gesprochen wird. Das ist vollkommen verständlich, denn das Thema ist sehr sensibel und wir sind es nicht gewohnt, dass im Alltag offen darüber gesprochen wird. Wenn du nicht weißt, wie du ein Gespräch über psychische Probleme starten kannst, mach dir zuerst ein paar Dinge bewusst:

  • Versuche, dich frei von Vorurteilen zu machen. Die Person, mit der du sprechen möchtest, ist immer noch die gleiche Person wie vorher. Eine psychische Erkrankung kann einen Menschen für eine gewisse Zeit sehr verändern, aber sie macht diesen Menschen nicht aus.

  • Du kannst nur Unterstützung kriegen, wenn du über das sprichst, was dich belastet oder worüber du dir Sorgen machst.

  • Du kannst nur Unterstützung geben, wenn du aufrichtig zuhörst und versuchst zu verstehen, wie sich die andere Person fühlt.

  • Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr zu zweit nicht weiterkommt, dann könnt ihr zusammen recherchieren, welche professionelle Anlaufstelle ihr kontaktieren könnt. Es ist eine große Erleichterung, wenn man das nicht alleine machen muss.

  • Oft trauen wir uns nicht, über psychische Probleme zu sprechen. Wenn du den ersten Schritt machst, kann es zu Erleichterung bei deiner Freundin, deinem Freund oder deinem Familienmitglied führen. Es zeigt, dass die Person dir wichtig ist und sie dir vertrauen kann. Und wenn das Gespräch erstmal gestartet wurde, ist damit die größte Hürde meistens schon überwunden.

  • Das Wichtigste ist, dass ihr euch mit Respekt begegnet und einander Vertrauen schenkt. So könnt ihr über alles reden – auch über das, was ihr vielleicht beide nicht versteht. Füreinander da sein ist die beste Hilfe, die Freundinnen, Freunde und Familienangehörige bieten können. 

Das Gespräch über psychische Gesundheit und Probleme ist wahrscheinlich anders, als wir es von Gesprächen gewohnt sind. Deswegen gibt es aber auch ein paar Dinge, die im täglichen Smalltalk völlig okay sind – hier aber vermieden werden sollten.
Anders als bei alltäglichen Gesprächen sollte man sich beim Thema psychische Gesundheit besonders bewusst sein, dass jede und jeder von uns die Psyche ganz individuell erlebt. Gut gemeinte, aber falsche Ratschläge können dazu führen, dass dein Gegenüber sich nicht verstanden fühlt. Genau so wenig hilft es, Probleme herunterzuspielen oder direkt davon zu erzählen, wie man das gleiche auch schon mal durchgemacht hat. Natürlich kannst du sagen, dass du die Probleme nachvollziehen kannst. Aber vergiss nicht: Probleme fühlen sich für jede Person anders an, und es hilft deinem Gegenüber nicht, wenn du das Gespräch auf dich lenkst und ausgiebig davon erzählst, wie ein ähnliches Problem für dich verlaufen ist. Natürlich ist es sehr hilfreich, wenn du vielleicht schon Erfahrungen hast und gute Tipps geben kannst – das gehört aber zum nächsten Schritt, in dem ihr beide Euch zusammen um mögliche Lösungen kümmert.
Dieses Gespräch hat das Ziel, dass es der betroffenen Person wieder besser gehen kann und ihr gemeinsam den ersten Schritt in diese Richtung geht. Zuhören und darauf eingehen, was dir gerade erzählt wird, ist deswegen das Beste, was du tun kannst.  Wenn wir über psychische Probleme sprechen, möchten wir uns ernst genommen fühlen und auch unserem Gegenüber das Gefühl geben, ihre oder seine Gefühle ernst zu nehmen. Auch, wenn du etwas nicht nachvollziehen oder dir vorstellen kannst, wie und warum sich deine Freundin, dein Freund oder dein Familienmitglied so fühlt, wie sie es dir beschreiben, solltest du versuchen, verständnisvoll zu sein.

Natürlich ist es auch wichtig, dass du sagen darfst, warum du das Gespräch mit jemandem suchst, um den du dir Sorgen machst. Dabei solltest du aber darauf achten, keine Vorwürfe zu äußern – auch wenn du in dem Moment vielleicht enttäuscht, traurig oder überfordert bist. Hast du schon mal von „Ich-Botschaften“ gehört? Mit ihnen kannst du deine eigenen Gefühle ausdrücken, ohne jemandem einen Vorwurf zu machen. Auch wenn die Sorgen, die du dir um jemanden machst, der Auslöser für negative Gefühle bei dir sind: Du bist ja nicht wütend oder erwartest eine Erklärung oder Rechtfertigung, sondern möchtest ja erstmal nur ein Gespräch starten. Deswegen ist es hilfreich, dir vor dem Gespräch zu überlegen, wie du deine Gefühle in einer Ich-Botschaft verpackst.

Ich habe gemerkt, dass ich verwirrt bin, wenn du dich nicht mehr mit mir treffen möchtest. Und das macht mich traurig.

Mich beschäftigt es sehr, dass du als meine gute Freundin so niedergeschlagen wirkst. Ich habe das Bedürfnis, dir zu helfen.

Ich bin damit überfordert, dass ich deine Angst nicht mehr einschätzen kann. Ich möchte gerne mit dir darüber sprechen und besser verstehen, was dich belastet.

Ich-Botschaften bedeuten nicht, dass man das Wort „du“ vermeidet, sondern sind dafür da, dass dein Gegenüber merkt, was ihr oder sein Verhalten bei dir auslöst und dass ihr beide gemeinsam in dieser Situation steckt. Klassische Du-Botschaften können als Vorwurf verstanden werden und sorgen dafür, dass sich beide Gesprächspartnerinnen oder Gesprächspartner weiter voneinander entfernen.

Du kommst zu gar keinem Treffen mehr von uns und ständig sagst du spontan ab. Das nervt!

Du bist die ganze Zeit nur traurig. Was soll das?

Ich fühle mich von dir sehr vernachlässigt. (Das ist die gleiche Botschaft wie „Du vernachlässigst mich.“)

Und nach dem Gespräch?

Bestimmt hat es euch gutgetan, miteinander zu reden. Trotzdem bleibt dann die Frage: Wie geht es weiter?
Es ist völlig normal, dass durch ein Gespräch nicht alle Probleme verschwinden können. Es kann auch sein, dass ihr mitten im Gespräch merkt, dass das gerade zu viel für eine oder einen von euch ist – und auch das ist okay! Ihr sprecht über emotionale und schwierige Dinge, müsst vielleicht weinen oder seid aufgeregt. Das kann ganz schön viel auf einmal sein, und deswegen ist es nicht schlimm, wenn ihr erstmal etwas Zeit braucht. Ihr könnt euch für ein weiteres Gespräch verabreden oder euch überlegen, wie ihr die passende Anlaufstelle findet.
Solltest du als helfende Person überfordert mit der Situation sein, kannst du dich auch direkt an eine Anlaufstelle wenden. Vergiss nicht: Du musst nicht die Lösung finden, sondern dafür gibt es professionelle Personen. Und du solltest dich auch nicht als Retterin oder Retter sehen. Du bist für deine Freundin, deinen Freund oder dein Familienmitglied da, und das ist großartig!
Wenn du selbst die betroffene Person bist, ist es wichtig, dass du dieses Gefühl auch vermittelst: Dass ihr ruhig Tschüss sagen und euch für‘s nächste Mal verabreden könnt, und du auf dich aufpasst. Solltest du das Gefühl haben, du kannst dieses Versprechen nicht geben, oder wenn du dir Gedanken darüber machst, dich selbst oder andere zu verletzen, dann solltet ihr direkt Hilfe für den Notfall holen.

Wichtig ist auch, dass alles, was ihr beide miteinander besprochen habt, unter euch bleibt. Sollte euch etwas aus dem Gespräch belasten, könnt ihr euch natürlich Hilfe holen – am besten professionelle Unterstützung von einer Anlaufstelle.

Das gute Gefühl, mit dem man aus einem Gespräch gehen kann, möchten wir dir jetzt auch vermitteln:

Danke, dass du zugehört und so aufmerksam gelesen hast!
Wir wissen, dass diese Infos ganz schön viel sein können. Aber vielleicht haben sie dir ja etwas dabei geholfen, keine Angst mehr vor Gesprächen über psychische Gesundheit zu haben.

 

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